Kritisches

Der Politiker - Betriebsanleitung

Der Politiker

Gereon Walther
(dieser Text musste mehrfach korrigiert werden, es ist offensichtlich ein Problem, ein Kapitel aus der Neurosenlehre kurz und zugleich allgemeinverständlich darzustellen)
 
 
Betriebsanleitung
 
Politiker
 
Sie haben einen Politiker erworben, wir gratulieren Ihnen zu diesem Kauf und wünschen Ihnen viel Freude beim Betrieb.
Allerdings sind vorab wichtige Informationen über diese Berufsgruppe zu beachten, deshalb:

Wichtig: Bitte vor Inbetriebnahme genau lesen!
Sicherheitsbestimmungen beachten!
Diese Geräteklasse dient nicht der Wahrheitsfindung!
In Verbindung mit der falschen Wählerschaft, kann das Gerät für Sie zu einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben werden!
 
Vorbemerkung: Berufsgruppen in Bezug auf die Arbeits-Motivation zu qualifizieren ist unterschiedlich schwer. Es ist klar, dass Berufsgruppen unterschiedlich motiviert sind. Bestimmte Berufe werden sozusagen eher unfreiwillig ausgeübt, was zu einer Heterogenität der Gruppe führt. Bei Politikern ist im Gegenteil die Einordnung einfach, vor allem, weil hier wenige bestimmte Emotionen führend sind, welche sich durchaus einordnen lassen.

Zunächst einmal zur psychischen Grundstruktur des Politikers: es gehört bei ihm die Lust dazu, sich zu exponieren. Die Freude oder in bestimmten Fällen auch der Zwang, wahrgenommen zu werden. Man kann es sich vorstellen, wie bei einem Kind im Alter von drei Jahren, das sich immer wieder in den Vordergrund spielt und strahlt, wenn es dann von den Erwachsenen wahrgenommen wird. Diese Eigenschaft haben wir alle in uns, in stärkerer oder schwächerer Form. Es ist Erziehungssache, wie damit umgegangen wird, ob mit dem Drang nach Exposition – erziehungsbedingt - Erfolgserlebnisse oder negative Erfahrungen verbunden sind. Man kann annehmen, dass narzisstische Neigungen entstehen, wenn hier Extreme (Zustimmung/Ablehnung) erfahren werden. Es mangelt dem Betroffenen dann an Regulatoren (Über-Ich, Ausbildung des Gewissens) um ein „normales“ Miteinander zu ermöglichen. Insbesondere haben die Betroffenen ein Problem, ihre Mitmenschen auf Augenhöhe zu sehen, sie schwanken zwischen Überheblichkeit und Versagensängsten. Narzissmus als Neurose heißt, wie bei allen Neurosen, dass mit der entsprechenden Neigung ein Leidensdruck verbunden ist, in diesem Falle Kränkbarkeit. Wenn man von einer Psychopathie spricht, meint man eher, dass die anderen leiden, also z.B. unter zwanghaften Reaktionen des Narzissten.

Jedenfalls ist die Lust bzw. der Zwang am Exponiert-Sein, eine Eigenschaft und zugleich ein Problem des Politikers. Die Selbstdarstellung im Geschäft der Politik bringt eine Wechselwirkung zwischen Publikum und der Person des Politikers mit sich, welche relativ heftig ist. Man kann sagen, der Politiker wird niemals distanziert gegenüber seinem Publikum sein, sondern die Reaktion des Publikums in sich aufsaugen wie ein Schwamm. Diese Rückkopplung bleibt nicht ohne tiefste Wirkungen auf den Verstand des Politikers. Die wichtigste inhaltliche Auswirkung: Er kann irgendwelche Dinge sagen, dann kommt das grandiose Feedback - der Applaus - und wirkt sich emotional als Bestätigung aus. Und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Gesagten um eine Wahrheit oder eine Lüge handelt! Das Erlebnis wirkt so tief, dass - nach einigen Wiederholungen dieser Erfahrung - die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Schein keine Rolle mehr spielt. Man könnte dann auch sagen: Applaus heißt Wahrheit.

Ein Schauspieler zum Beispiel kann eine Figur spielen, die er selber emotional kaum repräsentiert. Er spaltet einen Teil seiner Gefühle ab und das reicht, um überzeugend in eine andere Rolle hinein zu schlüpfen, zum Beispiel in die eines Verbrechers.
Bei einem Wissenschaftler sieht es schon anders aus, er hat viel Arbeit in seine Präsentation investiert und entsprechend gering ist die Skepsis gegenüber seinen Werken. Bei wenig exponierten Berufen sind diese Reaktionen durchaus sehr gemischt: eine Krankenschwester zum Beispiel oder eine Erzieherin wird durchaus von der Richtigkeit der eigenen Profession berichten können, von der Verantwortung für die Gesamtheit, welche sie trage. Andererseits: bei sogenannten „nachgeordneten“ Tätigkeiten ist diese Skepsis gegenüber der eigenen Arbeit überaus verbreitet: ein Arbeiter am Fließband wird selbst sehr wahrscheinlich geringschätzig über seine Tätigkeit denken.
Genau diese Skepsis ist bei einem Politiker nur in einem erstaunlich geringen Umfang vorhanden.
Ein erfolgreicher Musiker zum Beispiel würde diese Skepsis in unterschiedlichstem Maße, je nach Stimmungslage, empfinden. Wenn Musiker zum Beispiel interviewt werden, kommt dies zu Tage. Sie sprechen nicht so gern über die Qualität ihrer Arbeit, sie reden viel lieber über die Auftritte, die sie im Einzelnen hatten.

Jetzt kommen wir auf einen quantitativen Unterschied bei Politikern zu sprechen: jeder weiß, dass es die sogenannten Populisten unter den Politikern gibt und – vielleicht auf der anderen Seite des Spektrums – die „rechtschaffenen“ Politiker. Tatsächlich besteht hier ein Unterschied. Es ist vor allem das Quantum an Narzissmus. Einerseits sind Politiker Menschen, die in Teilbereichen eine eigene Überzeugung besitzen und hierfür auch eintreten, aber sie benötigen eben auch eine ständig wiederkehrende Anerkennung, so wichtig für sie, wie Essen und Trinken. Auf der anderen Seite finden wir die populistischen Politiker, welche die Anerkennung nicht nur zum Weiterarbeiten benötigen, sondern diese für das Leben selbst halten; diese setzen die Anerkennung über alles und im Endeffekt auch über die Fakten. Diese, wie man es nennen möchte, „geistige Beweglichkeit in Bezug auf die Fakten“ ist hier regelmäßig vorhanden.

Es ist für einen Politiker möglich, ein politischer Populist zu werden, also sich dahingehend zu wandeln!
Wenn der Politiker seine Neigung in Richtung Populismus weiter treibt, dann entwickelt er eine bestimmte Technik. Er spürt er ganz bewusst die Widersprüche im normalen Leben der Bevölkerung auf und wittert, wo etwas auf der Zustimmungsskala zu gewinnen ist. Es sind meist die Gegensätze oder die scheinbar schwer zu erklärenden Umstände, welche beim Publikum mit Angst besetzt sind, z.B. die Angst vor sozialem Abstieg. Hier kann der Politiker einhaken und einen Zusammenhang auf eine ganz einfache Weise erklären. Er kann auch die beim Publikum vielleicht schon beginnend vorhandenen Erklärungsversuche aufnehmen, z. B. Gedanken darüber, warum es bestimmten Menschen materiell besser geht, als einem selbst. Diese Gedanken kann er dann widerspiegeln und mit drastischen einfachen Erläuterungen präsentieren, am besten mit der „Sündenbock-Methode“. Auf diese Weise ist dem Politiker die Zustimmung sicher.

Also: der Politiker arbeitet wie eine Maschine, mit bestimmten Regeln und dies im Hinblick auf die Arbeit mit den Fakten und vor allem mit dem Ziel der Anerkennung.

Das Gerät ist ebenso fleißig, wie wandelbar.
Sie sehen, auch Ihr Politiker arbeitet. – Mehr oder weniger selbständig und fast unermüdlich.

Auch wenn das Gerät einer Qualitätskontrolle unterzogen wurde:
Ein Rückgaberecht besteht vor Ablauf einer Legislaturperiode nicht
Die Arbeit des Politikers muss kontrolliert werden.

Aus Sicherheitsgründen empfehlen wir Ihnen, sich aus unterschiedlichen Quellen über die Arbeit des Gerätes zu informieren und diese - nach bewusst selbst erarbeiteten Kriterien - zu beurteilen.

Wir gratulieren Ihnen zum Erwerb und wünschen Ihnen viel Freude beim Betrieb.
 
 
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