Kritisches

Der Fall Barbara

Der Fall Barbara.
 
Zugegeben, die Geschichte spielt nicht jetzt, sondern in wenigen Jahren. Man hatte inzwischen erkannt, dass die Umweltproblematik nichts mit Gut und Böse zu tun hat, sondern mit „darunter“ liegenden Eigenschaften des Menschen. Etwa im Sinne des ganz allgemein von Menschen internalisierten „machet euch die Welt untertan“. Also ist man auf die Idee gekommen, an basalen Bewusstseinszuständen zu arbeiten – und wie immer, hatten sich auch Juristen dieses Themas bemächtigt und hierzu eine allgemeine „Kennzeichnungspflicht“ der Menschen festgeschrieben.
 
Anklageschrift
Angeklagt ist Barbara U.
Die Anklage lautet auf Unterlassung und Vortäuschung falscher Umstände.
Anklageschrift: Der Angeklagten wird vorgeworfen, es unterlassen zu haben, entsprechend den Vorschriften für diesen Personenkreis ein Tattoo auf der Stirn zu tragen mit der Aufschrift „ich bin verantwortlich für 20 t CO2-Produktion pro Jahr“. Die Vortäuschung besteht darin, zu suggerieren, dass es sich bei ihrer Person um ein für die Umwelt tolerables Wesen handele. Bekanntlich ist „tolerabel“ so definiert, dass die durch diese Person veranlasste CO2-Produktion unter der durchschnittlichen persönlichen Veranlassung der Weltbevölkerung - im statistischen Mittel - liegt.
 
Begründung:
Die Angeklagte bewirkt durch ihren Lebenswandel eine CO2-Prodkuktion, welche unzweifelhaft über dem Pro-Kopf-Durchschnitt der Weltbevölkerung liegt – dieser Vergleich wird hier als relevanter Parameter vorausgesetzt, bzw. noch begründet.
 
Der fehlende Hinweis, mittels Tattoo – oder anderen gesetzlich zugelassenen permanenten Markierungen - auf eine durch den Lebenswandel der Angeklagten verursachten Umweltbelastung in Verbindung mit ihrem Auftritt gegen industriell tätige CO2-Produzenten führt zu einer Irreleitung der Bevölkerung, dergestalt, dass hier eine Strafwürdigkeit vorliegt.
Begründung:
Der Tatbestand der Irreführung resultiert aus der Suggestion und dem Widerspruch: zum einen aus der vermeintlich harmlosen Erscheinung der Angeklagten, welche dem Gegenüber freundlich entgegentritt und gleichzeitig keine Markierung – im oben genannten Sinne - trägt und damit nach allgemeinem Eindruck suggeriert, für eine bessere Ökologie einzutreten. Und zum anderen aus der tatsächlich in überdurchschnittlicher Höhe veranlassten CO2-Produktion.
 
Insbesondere ist hier also die Höhe der von der Angeklagten veranlassten CO2-Produktion erschwerend dem Strafmaß hinzuzumessen: die Angeklagte besitzt ein Auto und macht reichlich Gebrauch hiervon, wobei das Fahrzeug eine überdurchschnittliche CO2-Produktion verursacht. Die Angeklagte hat es nicht für nötig befunden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerstädtisch zu reisen und hierdurch eine Mehrproduktion von CO2 bewusst in Kauf genommen. Der private Konsum der Angeklagten ist zudem überdurchschnittlich, zu nennen ist hier insbesondere der Gebrauch von Klimaanlagen. Auch führt die Angeklagte touristisch veranlasste Reisen durch, die Angeklagte konsumiert Essen, welches einen hohen Anteil Fleisch beinhaltet, die Angeklagte wechselt das Mobiliar ihrer Privatwohnung regelmäßig und verursacht somit durch dessen industrieller Produktion eine weitere CO2 Belastung. Die Angeklagte trägt modische Kleidung und erneuert diese, obwohl die Kleidung, welche abgelegt wird, durchaus noch funktionsfähig wäre. Die Angeklagte gibt einen Teil ihres Budgets für Kosmetik aus, welches nachweislich ohne Funktion und somit ohne Nutzen und deshalb einzig einen schädlichen Einfluss auf die Umwelt hat.
 
Erschwerend kommt hinzu, dass eine tendenzielle Besserung des Konsumverhaltens nicht erkennbar ist – dies ist allerdings noch durch eine weitere Befundaufnahme zu beweisen.
 
Je nach Beweislage kommt ein weiterer Anklagepunkt hinzu: Volksverhetzung geringen Schweregrades in Tateinheit mit Demagogie. Der mögliche Straftatbestand besteht darin, das Bewusstsein im Volke auf zwei Arten negativ zu beeinflussen.
 
Begründung: Die schädigende Beeinflussung der Bevölkerung, welche sich letztlich umweltbelastend auswirkt, besteht darin, dass bei der Bevölkerung eine Nicht-Anerkennung der Schuldfrage gefördert wird. Im Einzelnen: Im kollektiven Bewusstsein findet eine Schuldverschiebung statt, welche von der eigenen Verantwortlichkeit weg führt, hin zu Instanzen, welche von Menschen geführt werden, die im Sinne der Kapitalvermehrung handeln. Diese Abwendung von der eigentlichen, der persönlichen Verantwortlichkeit, bzw. die Leugnung der individuellen Verursachung hat schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft, weil sie über die Verschiebung der Verantwortlichkeiten nicht nur entschuldigend für jeden einzelnen wirkt, sondern auch zu einer Verzerrung der Wahrnehmung aller juristisch relevanten Tatbestände führt.
 
Falls sich der vorgenannte Anklagepunkt bestätigen sollte, ergibt sich ein weiterer ahndungswürdiger Tatbestand: Zersetzung des Volkswillens.
Begründung: der Vorgang der Verharmlosung der persönlichen Verantwortung, auf nationaler kollektiver Ebene, wirkt sich nachweislich auf einen Teil der Bevölkerung in der Form aus, dass man meint, sich einer Schuld entledigen zu können, indem man gegen bestimmte exponierte Persönlichkeiten auftritt. Ebenfalls nachweisbar ist die Reaktion eines weiteren Teils der Bevölkerung, dergestalt, dass hier – über eigene, bewusste oder unbewusste Schuldgefühle - ein Verhalten im Sinne einer intrapsychischen Gegenregulation auftritt, welches insbesondere in der Schaffung eines speziellen Feindbildes resultiert. Im Einzelnen: zum Feind wird bei dieser Bevölkerungsgruppe, wer sich den Anschein gebe, wohlmeinend zu sein, eigentlich jedoch unehrlich agiere. Zwischen beiden Bevölkerungsgruppen erfolgt eine Spaltung, welche gemeinsame Reaktionen, insbesondere auch zum Umweltschutz, verhindert.
 
Es muss davon ausgegangen werden, dass der Angeklagten diese Mechanismen bekannt sind.
Begründung: Die Angeklagte hat eine akademische juristische Ausbildung hinter sich und hat sich jahrelang mit sozialen Maßstäben und mit Fragen der Sozialethik befasst. Es kann bei ihr somit von einem inhärent gesamtgesellschaftlichen Bewusstsein ausgegangen werden und es muss demzufolge ein gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl vorausgesetzt werden.
 
(Anmerkung 1: Beispielsweise ist dieser Fall anders zu beurteilen, als Fälle von anderen exponierten Persönlichkeiten, wie etwa auch US-Präsidenten, welche keine besondere Intelligenz aufweisen und deshalb unreflektiert und ohne den – beruflich bedingten - mentalen Hintergrund nicht in der Lage sind, die Bedeutung der gesamtgesellschaftliche Solidarität zu erkennen und deshalb, wenn ein eigenes Interesse besteht, dazu neigen, die Bedeutung der menschlichen Solidarität zu verkennen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schwächen. Der hier vorliegende Fall ist demgegenüber also anders gelagert.)
 
Der letztgenannte Anklagepunkt ist für sich genommen nicht strafwürdig, sondern führt vielmehr zu der Auflage, bei zukünftigen juristischen Verfahren, auch den Umweltschutz betreffend, jeweils persönliche, ich-bezogene Motive vollständig zu benennen.
 
(Anmerkung 2: Zum Prozessgegenstand: Die Anklage ist nicht geeignet, die Menschen bedingten Einflüsse auf die natürliche Umwelt zu verharmlosen oder andererseits zu rechtfertigen. Vielmehr geht es um den richtigen Weg, bzw. um eine Tendenz des falschen Weges, zwar mit dem Ziel des Umweltschutzes, aber letztlich kontraproduktiv. Das Zurücknehmen der menschlichen persönlichen Verantwortung oder auch nur die Minderbetonung der ganz persönlichen Verantwortung für die Umwelt, ist mittelfristig die verheerend falsche Maßnahme; sie führt auch zur Spaltung der Bevölkerung. Es gilt, auf juristische Weise, den Weg zu einem adäquaten Umgang mit dieser Problematik zu fördern, insbesondere, indem Möglichkeiten gefunden werden, eine Bewusstseinsveränderung ohne Spaltung der Menschen zu fördern. Die Welt wird in erster Linie durch den Mangel an menschlicher Solidarität bedroht.)
 
 
 
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