Kritisches

noch einmal "Politiker" (1.11.2018)

1.11.2018
 
Über die Natur und Persönlichkeit der Politiker
 
Zu berücksichtigen ist zunächst, dass ein äußerst wirkungsvoller spezieller Selektionsprozess stattfindet, auch bei der "Berufswahl". Wer will Politiker werden. Schon ein kleines Kind, sagen wir einmal im Alter von 3 Jahren (Übergang in die genitale Phase) genießt es, bei irgendwelchen Aktionen, zumeist bestimmten, eventuell für die Umwelt erstaunlichen, Äußerungen beachtet zu werden. Man kann genau beobachten, wie die Augen des Kindes strahlen, wie es förmlich vor Energie platzt, wenn es die Beachtung oder das Wohlmeinen der anderen bemerkt.
 
Wenn dieses Beachtet-Werden zum zwanghaften Bedürfnis wird, nennt man es Hysterie; als mehr oberflächliche Form Narzissmus. Das entscheidende ist, dass diese Erfolgserlebnisse nicht inhaltlich festgelegt sind, sondern dass dieser Feedback, der zur psychischen Energie, sprich Motivation, führt, allein von der Quantität der Reaktion abhängig ist und nicht von der Qualität. Auch ein strafender Blick, eine Entrüstung oder eben eine Strafe ist ein Feedback. Es hat also nichts mit Moral zu tun. Später dann lernt das Kind, dass der zeitliche Verlauf allerdings unterschiedlich sein kann. Hier tritt dann bis zu einem gewissen Grade die Moral in Kraft. Eine moralisch positive Rückkopplung ist besser reproduzierbar, je nach Umfeld auch viel besser zu antizipieren. Dies sind gesellschaftliche Umstände, vor allem die Einstellung von Bezugspersonen, welche eine nicht zu überschätzende Rolle in der Kindeserziehung, etwa - ich sage einmal - vom 4. bis zum 14. Lebensjahr eine Rolle spielen.
 
Und der Politiker? Der Erfolg heiligt die Mittel. Wenn man sieht, in welchem Maße alle, insbesondere auch führende Politiker von Anerkennung im allgemeinen Sinne, abhängig sind, bestätigt sich, dass man es mit extrovertierten Persönlichkeiten zu tun hat. - Eine introvertierter Mensch ist normalerweise keine Führungspersönlichkeit - siehe unten.
 
(Dies können (und wollen) wir nicht ändern, zumal kein anderer Aufbau einer menschlichen Gesellschaft denkbar ist, als ein hierarchisch gegliederter. Es sind - wenigstens auf Organisationsebene - führende Menschen notwendig.)
 
Man kann sich also nur über graduelle Unterschiede bei den Politikern unterhalten. Hier ist nützlich, einen Vergleich mit anderen Berufsgruppen zu ziehen: etwa Künstler. Auch Extraversion, zugleich aber eine innere Linie, eine Idee, eine Stringenz, eine Abhängigkeit und Zugewandtheit zu einer bestimmten Kunstproduktion. Also zu einem Objekt. Diese Tätigkeit wird dann der Allgemeinheit bekannt und es gibt ein Echo. Quasi, wie man sagt, eine Welle des Erfolges, bis hin zur Zuneigung und Liebe. Der Künstler wird mit seinem Werk identifiziert! Dadurch verstärkt sich für den Künstler das Gefühl, wahrgenommen zu werden, der Künstler fühlt sich bestätigt, geliebt, auch womöglich ohne besonderen zwischenmenschlichen Einsatz, Selbstdarstellung, inklusive Aktionen zur Publikumswirksamkeit oder auch eventuell gegen eine Konkurrenz.
 
Bei Politikern ist dieses Element durchaus auch vorhanden. Jeder Mensch, der mit seinen Tätigkeiten und womöglich breiten Wirksamkeit wahrgenommen wird, hat die Möglichkeit, dies mit moralischen Vorstellungen zu bewirken. Wenn ein Rezipient seine eigenen moralischen Vorstellungen widergespiegelt findet, schafft dies sofort eine gewisse Verbundenheit, zum Beispiel zwischen Publikum und Redner. Das wissen die Politiker und sie spielen mit diesem Instrument, mehr oder weniger kunstvoll (auf der Jagd nach Anerkennung).
 
Dies ist althergebrachtes. Neu an der Situation ist jedoch folgendes: die Persönlichkeit eines Politikers wird in unserem Medienzeitalter mehr und mehr manipuliert. Das Jagen nach Anerkennung ist professionalisiert und die Regeln sind egalisiert. Wir lesen Meinungsumfragen und die Politiker tun es auch. Es ergibt sich ein intensives Wechselspiel von Politiker-Persönlichkeit und der nicht zu überschätzenden Einflussnahme durch Berater. Wahrscheinlich entsteht dadurch bei jedem Politiker eine Art zynischer Vernunft. Das Problem ist, dass man bei der Beurteilung der Politik nunmehr nicht die Persönlichkeit des Politikers beurteilen müsste, sondern den gesamten Apparat einer politischen Linie, hier Anteile von Moral zu finden ist wahrscheinlich ähnlich dem Suchen einer Stecknadel im Heuhaufen.
 
 
 
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